Doch genau das droht seit dem Auslaufen der Übergangsfrist: Wer mit alten M+S-Reifen in den Winter startet, könnte plötzlich ohne Schutz dastehen. Das „neue Reifen-Gesetz“ wird massenhaft übersehen – und trifft ausgerechnet dann, wenn die Straße weiß wird.
Der Morgen roch nach kalter Luft und nassem Asphalt. Im Halbdunkel kratzt ein Vater hastig die Scheiben frei, die Kinder halb im Pyjama auf der Rückbank, die Zeit gegen ihn. Die Reifen wirken okay, denkt er, sind ja „Ganzjahresdinger“. Der Nachbar ruft vom Gehweg: „Hast du schon die neuen? Mit dem Berg-Symbol?“ Ein Schulterzucken, der Motor brummt, der Verkehr zieht an. An der nächsten Kreuzung flackert eine Schneefahne über die Felder, die Temperatur fällt, und irgendwo zwischen Radio und Frühstücksresten entscheidet sich, wie der Tag ausgeht. Ein kleines Detail auf der Reifenflanke, das früher keiner beachtet hat, wird plötzlich zum Richter. Ein Symbol entscheidet.
Was sich geändert hat – und warum es so viele verpasst haben
Seit dem 1. Oktober 2024 gilt auf deutschen Straßen faktisch eine verschärfte Winterreifen-Regel: Nur Reifen mit dem Alpine-Symbol – dem kleinen Bergpiktogramm mit Schneeflocke (3PMSF) – erfüllen bei winterlichen Straßenverhältnissen die Pflicht. Klassische M+S-Markierungen reichen nicht mehr. Juristisch bleibt es bei der situativen Winterreifenpflicht (§ 2 Abs. 3a StVO): Winterbereifung bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte. Wer dann mit falschen Pneus fährt, kassiert 60 Euro und einen Punkt. Mit Behinderung 80 Euro, mit Gefährdung 100 Euro, nach einem Unfall 120 Euro – und Ärger mit der Versicherung.
Klingt theoretisch, hat aber reale Folgen. In einer mittelgroßen Stadt rutscht eine Fahrerin im November in eine Kreuzung, der Wagen schlittert, der Blechschaden summiert sich auf 4.800 Euro. Auf den Reifen: M+S, gekauft 2016, profiliert, aber ohne Bergsymbol. Die Haftpflicht zahlt dem Unfallgegner, ihre Teilkasko prüft – und kürzt wegen Grobe Fahrlässigkeit um 30 Prozent. Die Begründung: falsche Bereifung bei Reifglätte. Passiert so oder so ähnlich jeden Winter hunderte Male. Wir sind mitten im Alltag, nicht im Lehrbuch.
Warum so streng? Die Übergangsfrist für alte M+S-Reifen ist Ende September 2024 ausgelaufen. Seitdem gelten ausschließlich 3PMSF-Reifen als „wintertauglich“ im Sinne der StVO, egal ob es Winter- oder Allwetterreifen sind. M+S war nie ein geschütztes, geprüftes Label, 3PMSF ist getestet. Juristisch knüpft die Versicherung an den Vorwurf an, eine naheliegende Gefahr ignoriert zu haben – bei Schnee mit Sommer- oder falschen Ganzjahresreifen zu fahren ist ein klassischer Fall. Die Kfz-Haftpflicht zahlt zwar Dritten, doch Kasko-Leistungen können gekürzt werden, sofern kein Verzicht auf grobe Fahrlässigkeit vereinbart ist. Genau da liegt die Falle, die so viele übersehen.
So schützt du dich – einfach, praktikabel, sofort
Beginne beim Reifen selbst: Suche das Berg-Symbol mit der Schneeflocke auf der Flanke. Ohne dieses Zeichen gilt der Reifen bei Winterwetter nicht mehr als zulässig – M+S reicht nicht mehr. Prüfe die Profiltiefe mit der 1-Euro-Münze: Der Goldrand (ca. 3 mm) sollte verschwinden, für Winterreifen sind 4 mm empfohlen. Lies die DOT-Nummer: Sie zeigt Produktionswoche und -jahr (z. B. 2219 = Woche 22, 2019). Plane in deinem Kalender den Wechsel bis Ende Oktober oder sobald die Temperaturen dauerhaft unter 7 Grad gehen. Ein Blick in die Betriebsanleitung verrät auch die korrekten Last- und Geschwindigkeitsindizes.
Die häufigsten Fehler sind banal. Viele glauben, „Ganzjahresreifen“ seien per se wintertauglich – sind sie nur, wenn das Alpine-Symbol drauf ist. Andere mischen Profile oder Marken auf einer Achse, was die Spurtreue ruiniert. Wer zu spät umsteigt, erwischt den ersten Frost auf Sommergummi. Wir kennen alle diesen Moment, in dem die rote Lampe im Cockpit leuchtet und man innerlich hofft, es geht schon gut. Seien wir ehrlich: Niemand kontrolliert seine Reifen jede Woche. Aber ein fester Check im Herbst, ein zweiter im Februar, das reicht oft, um grobe Patzer zu vermeiden.
Ein Prüfer sagte mir neulich auf dem Hof: „Reifen sind die einzige Verbindung zur Straße – vier Handflächen entscheiden über Physik, nicht Marketing.“ Er hat recht. Es wirkt klein, bis es groß wird.
„Wer mit ungeeigneten Reifen bei Reifglätte unterwegs ist, riskiert Kürzungen in der Kasko – und erklärt im Streitfall der Physik, warum sie sich irren soll.“
- Schnell-Check: Alpine-Symbol vorhanden? Ja/Nein.
- Profiltiefe: mindestens 4 mm im Winter anpeilen.
- DOT: älter als 6–8 Jahre? Wechsel erwägen.
- Ganzjahresreifen: nur mit 3PMSF, sonst winteruntauglich.
- Police: Grobe-Fahrlässigkeitsverzicht vorhanden?
Warum dieses Gesetz mehr ist als Bürokratie
Das Ende der M+S-Übergangsfrist ist kein Selbstzweck. Es ist eine stille Anpassung an das, was Werkstätten seit Jahren sehen: Winter wird unberechenbarer, der Wechsel zwischen nass, kalt, glitschig passiert innerhalb von Stunden. 3PMSF ist der Versuch, Messbares an die Stelle von Aufdruck-Romantik zu setzen. Hinter dem Versicherungsparagrafen steckt eine klare Botschaft: Risikofallen gehören dorthin, wo sie hingehören – in die Warteschlange vor der Montagebühne, nicht auf die Bundesstraße. Vielleicht ist das unsexy. Vielleicht nervt es, im Oktober noch einen Termin zu schieben. Doch die Freiheit, auch bei Schnee sicher anzukommen, beginnt an der Flanke deines Reifens. Und manchmal genügt ein Fingerschnips: Blick auf das Symbol, ein Anruf bei der Werkstatt, eine ruhige Fahrt durch den ersten Schnee.
| Kernpunkte | Detail | Mehrwert für den Leser |
|---|---|---|
| Neue Rechtslage | Seit 1.10.2024 zählen bei Winterwetter nur 3PMSF-Reifen als zulässig | Klarheit, ob die eigenen Reifen die Pflicht erfüllen |
| Versicherungsrisiko | Kasko kann bei falscher Bereifung wegen grober Fahrlässigkeit kürzen | Finanziellen Schaden vermeiden, Police gezielt prüfen |
| Praxis-Check | Alpine-Symbol, Profiltiefe ≥ 4 mm, DOT-Alter, Indizes, Ganzjahresreifen nur mit 3PMSF | Schnelle To-do-Liste für die eigene Garage |
FAQ :
- Gilt die Winterreifenpflicht nach festen Daten?Nein. In Deutschland ist sie situativ: Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte brauchst du wintertaugliche Reifen.
- Welche Reifen sind seit Oktober 2024 zulässig?Alle mit Alpine-Symbol (3PMSF). M+S allein reicht nicht mehr, die Übergangsfrist ist abgelaufen.
- Was droht bei Unfall mit falschen Reifen?Bußgeld und ein Punkt sind möglich. Deine Kasko kann Leistungen wegen grober Fahrlässigkeit kürzen – Haftpflicht zahlt Dritten weiter.
- Sind Ganzjahresreifen erlaubt?Ja, wenn sie das Alpine-Symbol tragen. Ohne dieses Zeichen gelten sie bei Winterwetter nicht als wintertauglich.
- Welche Profiltiefe brauche ich im Winter?Gesetzlich 1,6 mm. Empfohlen sind 4 mm, weil darunter Nass- und Schneegrip stark einbrechen.









