Düngen im Winter? Warum Nährstoffe jetzt die Wurzeln Ihrer Zimmerpflanzen verbrennen

Düngen im Winter? Warum Nährstoffe jetzt die Wurzeln Ihrer Zimmerpflanzen verbrennen

Ein kalter Morgen, die Heizung tickt, die Blätter Ihrer Zimmerpflanzen wirken matt – und der Dünger steht griffbereit. Es klingt vernünftig, dem Grün jetzt “etwas Gutes” zu geben. Genau das ist im Winter die Falle: Nährsalze stauen sich, Wurzeln brennen, Pflanzen schwächeln.

Draußen Nieselregen, drinnen Licht wie in einer U-Bahn-Station. Ich beobachtete, wie jemand seine Monstera mit “Extra-Wachstum” fütterte, während ihr Topfballen klamm und kühl war. Zwei Wochen später lagen die Blattspitzen bräunlich eingerollt auf der Fensterbank.

Wir kennen alle diesen Moment, in dem der gute Vorsatz den Takt angibt und die Realität still bleibt. Im Winter stehen Zimmerpflanzen oft fast still. Manche schlafen regelrecht, auch wenn sie weiter grün aussehen.

Dann kommt der Dünger wie ein doppelter Espresso um 23 Uhr. Und das endet selten gut. Eine Frage bleibt.

Warum Dünger im Winter zur Falle wird

Im Winter sinkt das Licht, die Tage sind kurz, die Photosynthese läuft im Schongang. Pflanzen verdunsten weniger Wasser und nehmen Nährstoffe langsamer auf. Im Winter bremst die Natur – Dünger tritt aufs Gas.

Was nicht aufgenommen wird, bleibt als Salz im Substrat zurück. Bei Kälte und Staunässe fehlt zudem Sauerstoff an den Wurzeln. So entsteht ein Cocktail aus Salzstress und schlechter Belüftung, der feine Wurzelhaare wortwörtlich verätzt.

Ein weiteres Detail: Kalte Wurzelzone heißt träge Wurzeln. Die Ionenpumpe in den Zellen arbeitet langsamer, während die Salzkonzentration draußen steigt. Osmose kehrt sich um, Wasser wird aus den Wurzeln gezogen – die Pflanze trocknet innerlich aus, obwohl die Erde feucht ist.

Wie sich das im Alltag zeigt

Ein Beispiel, das ich oft höre: Lara düngte ihre Monstera “wie immer” – alle zwei Wochen, Dezember inklusive. Anfang Januar: braune Blattspitzen, gelbe ältere Blätter, ein weißlicher Kranz am Topfrand. Der EC-Wert der Gießlösung war normal, das Substrat selbst aber salzig geworden.

Ein Urban-Gärtner erzählte mir von seinem Ficus elastica am Bürofenster. Keine direkte Sonne, Heizungsluft, viel gut gemeintes Gießen mit Dünger. Nach Weihnachten fielen Blätter etagenweise. Eine gründliche Spülung der Erde und vier Wochen Düngepause ließen die Neutriebe zurückkommen.

Zahlen helfen beim Einordnen: In der lichtarmen Zeit sinkt der Nährstoffbedarf vieler Zimmerpflanzen auf ein Drittel bis ein Fünftel. Das heißt nicht “nie düngen”, sondern “viel seltener und milder” – außer die Pflanze wächst unter starken LEDs weiter aktiv.

Was in den Wurzeln passiert

Salz ist nicht “böse”, aber es zieht Wasser an. Liegt draußen im Substrat zu viel, gerät die Balance in Schieflage. Wasser strömt aus der Wurzelzelle nach außen, die Zelle schrumpft, feine Wurzelspitzen sterben ab – das ist die “Verbrennung”.

Kühle Erde verschärft den Effekt. Die Membranen werden weniger durchlässig, Stoffwechsel verlangsamt sich. Gleichzeitig sind die Poren im nassen Substrat mit Wasser gefüllt, nicht mit Luft – Wurzeln “ersticken” leise.

Das Ergebnis ist ein Paradox: Die Pflanze steht im Feuchten und leidet dennoch Durstsymptome. Braune Spitzen, stumpfe Blätter, später Blattfall. Ein salziger Rand am Topf oder ein krümeliger, weißer Belag verraten, was los ist.

So fütterst du im Winter richtig (oder gar nicht)

Stell den Dünger von November bis Februar weitgehend ab. Gilt nicht für Pflanzen unter starkem Kunstlicht oder echte Wintertriebe wie einige Alpenveilchen. Für alle anderen: maximal alle 4–6 Wochen, auf 25–50 Prozent der üblichen Dosis verdünnt. Gießen zuerst, düngen danach – nie umgekehrt.

Spüle einmal im Monat den Topf gründlich mit lauwarmem Wasser durch, damit Salze aus dem Substrat laufen. Nutze handwarmes Wasser, kein eiskaltes. Dünge nie in staubtrockene Erde und nicht direkt nach dem Umtopfen – frische Erde enthält genug Nährstoffe für 4–6 Wochen.

Mein Ficus hat es mir verübelt. Seien wir ehrlich: Niemand macht das jeden Tag. Ein einfacher Rhythmus hilft: Licht checken, Substrat fühlen, erst dann entscheiden.

“Im Winter füttere ich nur, wenn ich frisches Wachstum sehe – nicht weil es im Kalender steht.” – Lea, Stadtgärtnerin

  • Zeichen für Salzstress: braune Spitzen, weißer Kranz am Topf, träge neue Blätter
  • Erste Hilfe: 2–3 Mal durchdringend spülen, 3–4 Wochen Düngepause
  • Ausnahmen: Pflanzen unter 12–14 Stunden LED-Licht, blühende Winterarten
  • Nie düngen: direkt nach Umtopfen, bei Wurzelschäden, in kaltem, klatschnassem Substrat

Fehler vermeiden, ohne dogmatisch zu werden

Viele kippen nach Gefühl. Das ist okay – Gefühl lässt sich kalibrieren. Prüfe im Winter zuerst das Licht: Süd- oder LED-Fenster? Dann darf’s wenig sein. Nordfenster plus kurze Tage? Pause.

Harte Realität: Leitungswasser mit hoher Karbonathärte addiert unsichtbare Salze. Filter oder Regenwasser entschärfen das. Dünger mit niedriger Leitfähigkeit und organische Varianten sind milder, aber auch die können sich anstauen.

Weniger ist nicht nur mehr, es ist Überleben. Beobachte neue Blätter, nicht die Flasche. Ein sanfter Schub im Februar, wenn die Tage länger werden, ist oft klüger als drei gut gemeinte Schüsse im Dezember.

Die stille Jahreszeit ist wie ein Atemholen deiner Pflanzen. Wenn du die Hand vom Dünger nimmst, gibst du den Wurzeln Raum, sich zu erholen, zu heilen, wieder zu atmen. Wer Licht, Temperatur und Substrat denkt, düngt automatisch richtiger.

Kernpunkte Detail Mehrwert für den Leser
Winterschlaf statt Wachstumsrausch Nährstoffbedarf sinkt auf 20–30 % Verhindert Salzstau und Wurzelbrand
Signalbasiert düngen Nur bei sichtbarem Wachstum und warmem Substrat Individuelle Pflege statt starre Pläne
Erste Hilfe bei Überdüngung Substrat spülen, Düngepause, warm gießen Schnelle Rettung, weniger Blattverlust

FAQ :

  • Wie oft soll ich im Winter düngen?Für die meisten Zimmerpflanzen gar nicht oder höchstens alle 4–6 Wochen, stark verdünnt. Unter kräftigem LED-Licht kann der Rhythmus enger sein.
  • Woran erkenne ich Wurzelverbrennungen?Braune Blattspitzen, weißer Salzrand, matte Blätter, plötzlicher Blattfall. Das Substrat wirkt nass und die Pflanze doch “durstig”.
  • Was tun, wenn ich zu viel gedüngt habe?Topf 2–3 Mal mit lauwarmem Wasser gründlich durchspülen, 3–4 Wochen keine Nährlösung, heller Standort, gleichmäßig feucht halten.
  • Gibt es Ausnahmen, die im Winter Nahrung brauchen?Ja: Pflanzen unter 12–14 Stunden künstlichem Licht, aktiv blühende Arten wie einige Orchideen oder Alpenveilchen, sowie echte Winterwachser.
  • Spielt die Wasserqualität eine Rolle?Ja. Hartes Wasser erhöht die Salzlast. Misch Regenwasser oder gefiltertes Wasser ein, nutze milde Dünger mit niedriger Leitfähigkeit.

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