Zwei Zehntel Bar zu wenig wirken klein wie ein vergessener Cent an der Kasse. Im Ernstfall sind sie der Unterschied zwischen Kontrolle und Rutschen. Und genau da beginnt das Problem.
An einem frostigen Morgen stehe ich an der Säule, Hände kalt, der Atem zeichnet kleine Wolken. Der Luftdruckprüfer klickt, der Wert springt: 2,0 Bar. Auf der Türsäule steht 2,2 Bar. Neben mir klopft jemand nervös gegen seinen Reifen, so als ließe er sich mit gutem Zureden härter machen. Die Sonne hängt flach, das Display der Pumpe wirkt gnadenlos ehrlich. Ein Laster donnert vorbei, Windstoß, Kältebiss. Ich höre den leisen Singsang des Kompressors und denke an die Kinder auf dem Rücksitz, an nasse Bremswege und an dieses unmerkliche Schlingern in langgezogenen Kurven. Der kleine Unterschied wird plötzlich groß. Zwei Zehntel entscheiden.
Warum 0,2 Bar den Unterschied machen
Wenn die Temperatur fällt, fällt auch der Reifendruck – ungefähr 0,1 bis 0,2 Bar pro 10 Grad. Aus 20 Grad in der Garage werden draußen schnell 0 Grad, und die Anzeige ist gnadenlos ehrlich. Die Aufstandsfläche wächst, die Lamellen im Profil müssen mehr arbeiten und verlieren ihre Bissigkeit auf Matsch und Eis. Der Wagen wirkt schwammig, das Lenkgefühl kippt von präzise zu verspätet.
Stell dir eine Pendlerfahrt vor, 7 Uhr, Niesel, 3 Grad, Stadt-Land-Grenze. Ein Lieferwagen bremst plötzlich, du gehst voll in die Eisen. Bei korrektem Druck greift ABS kurz und bestimmt, der Wagen steht spürbar schneller. Mit 0,2 Bar zu wenig zieht es noch einen halben Wagenlänge weiter, das Lenkrad zittert, du spürst das Gewicht nachschieben. Tests von Automobilclubs zeigen seit Jahren: Unterdruck verlängert Bremswege merklich und reduziert Seitenführung – wenige Meter, die zählen.
Die Physik dahinter ist nüchtern: Luftdruck folgt der Temperatur im Reifeninneren, die Skala rechnet in Kelvin, und die Anzeige zeigt Überdruck gegenüber der Außenluft. Fällt die Umgebung von 20 auf -5 Grad, schrumpft die Molekülenergie, der Druck sinkt – oft um rund 0,2 bis 0,3 Bar. Gleichzeitig walkt ein weicherer Reifen stärker, wird dabei zwar warm, doch dieser Effekt kommt zu spät und ungleichmäßig. Das fördert Verschleiß, erhöht Verbrauch und verschlechtert die Drainage bei Nässe, was Aquaplaning früher einsetzen lässt.
So stellst du den Winterdruck richtig ein
Messen “kalt” heißt: morgens, vor der ersten Fahrt, oder mindestens drei Stunden nach dem Abstellen. Nimm den Wert vom Aufkleber in der Tür oder im Tankdeckel als Ausgangspunkt und gib in der kalten Jahreszeit einen kleinen Puffer von 0,1 bis 0,2 Bar. Nutze ein verlässliches Manometer, idealerweise dein eigenes, das du kennst. Kommt Last dazu – Skiurlaub, voll beladen – orientiere dich an den Herstellerangaben für “voll beladen”.
Verlass dich nicht blind auf die Säulenanzeige an anonymen Tankstellen. Manche Geräte sind schlecht kalibriert oder gelitten vom Winter. Miss zweimal, am besten an derselben Säule, und halte das Ventil kurz und gerade. Wir kennen alle diesen Moment, in dem die Reifendruck-Kontrollleuchte aufblinkt und wir denken: gleich, später, irgendwann. Seien wir ehrlich: Keiner macht das jeden Tag.
Viele Fehler passieren im guten Glauben. Luft ablassen nach der Autobahn, weil der Wert “zu hoch” wirkt, gehört dazu – warm gemessen ist kein echter Vergleich. Wenn nur ein Rad Luft verliert, such nach Fremdkörpern oder einem undichten Ventil, nicht nach Ausreden. Ein Reifen verliert nicht laut, er verliert leise.
“Kalt messen, konsequent nachstellen und nicht auf den letzten Drücker fahren – so simpel, so wirkungsvoll.”
- Eigener Prüfer im Handschuhfach, einmal gekauft, oft genutzt
- Ventilkappen drauflassen, schützt vor Salz und Schmutz
- Nach Bordcomputer-Hinweis immer alle vier Räder checken
- Winterpuffer: +0,1 bis +0,2 Bar zum Stickerwert
- Kein Luftablassen nach längerer Fahrt – Warmwerte ignorieren
Und jetzt du: Was macht dein Reifendruck mit deinem Winter?
Man merkt den Unterschied nicht in der Einfahrt, sondern wenn’s knifflig wird: Aus der Nebenstraße rutscht jemand, ein Reh springt, auf der Brücke zieht ein Windstoß. Kleine Zahlen, große Folgen. Wer die zwei Zehntel ernst nimmt, fährt entspannter, weil das Auto sauberer auf Lenkimpulse reagiert und die Bremse ihre beste Chance bekommt. Vielleicht ist es das unspektakulärste Sicherheitsplus, das du heute holen kannst.
| Kernpunkte | Detail | Mehrwert für den Leser |
|---|---|---|
| Druck fällt mit der Kälte | Richtwert: 0,1–0,2 Bar pro 10 °C Temperaturabfall | Versteht, warum der Winterdruck nachgestellt werden muss |
| Kalt messen, nicht warm | Am Morgen oder nach mind. 3 Stunden Standzeit | Erhält vergleichbare, verlässliche Werte |
| Winterpuffer nutzen | +0,1 bis +0,2 Bar zum Herstellerwert, bei Beladung nach Tabelle | Mehr Stabilität, kürzere Bremswege, weniger Verschleiß |
FAQ :
- Wieso verliert der Reifen im Winter scheinbar von allein Druck?Sinkende Temperaturen reduzieren den Innendruck. Das ist Physik, kein schleichender Defekt – der kann zusätzlich auftreten.
- Wie oft sollte ich im Winter den Reifendruck prüfen?Alle zwei bis vier Wochen und vor längeren Fahrten. Nach größeren Temperaturstürzen auch zwischendurch.
- Gilt der Tür-Aufkleber auch für Winterreifen?Ja. Er ist die Basis. Im Winter lohnt sich ein kleiner Puffer von 0,1–0,2 Bar, solange du den Maximalwert des Reifens nicht überschreitest.
- Mein TPMS meldet nichts – reicht das nicht?TPMS warnt spät oder erst bei größeren Abweichungen. Manuelle Kontrolle bleibt die verlässlichere Routine.
- Merkt man 0,2 Bar zu wenig überhaupt beim Fahren?Im Stadtverkehr selten sofort. In schnellen Kurven, bei Vollbremsungen oder Nässe zeigt sich der Unterschied deutlich.









