Schimmel trotz Lüften? Warum die „5-Minuten-Regel“ im November einfach scheitert

Schimmel trotz Lüften? Warum die „5-Minuten-Regel“ im November einfach scheitert

Ein kurzer November, die Fenster weit auf, und trotzdem ziehen graue Flecken über die Wand: Wer nach der „5‑Minuten‑Regel“ lüftet, merkt gerade jetzt, wie sie ins Leere läuft. Nicht, weil Lüften falsch wäre. Sondern weil Novemberluft anders tickt als unsere Gewohnheiten.

Du wirfst das Fenster auf, zählst innerlich bis dreihundert und hoffst, die feuchte Schlafluft hinauszuschicken. Es riecht nach kaltem Staub und nassem Wollpulli. Hinter dem Kleiderschrank aber zeigt die Wand diese winzigen dunklen Punkte, die man erst ignoriert und dann googelt. Der Nachbar schwört auf „fünf Minuten, dreimal am Tag“. Du machst es nach, Tag für Tag, und doch wird der Rand am Fensterrahmen dunkler, der Putz körniger, die Ecke kühler. Die Uhr sagt: genug gelüftet. Die Wand sagt: nicht mal nah dran. Und genau da scheitert es.

Warum die „5‑Minuten‑Regel“ im November oft nichts bringt

Fünf Minuten sind eine bequeme Zahl, geboren aus Faustregeln und trockenen Wintertagen. Im November arbeitet die Physik gegen diese Bequemlichkeit. Draußen ist die Luft oft mild und gesättigt, drinnen sind die Oberflächen kühler als gedacht. Die 5‑Minuten‑Regel ist kein Gesetz, sondern ein Mythos. Sie ignoriert, wie viel feuchte Luft tatsächlich ausgetauscht wird – je nach Wind, Fenstergröße, Querlüftung – und wie kalt deine Außenwände wirklich sind. Das Ergebnis: Du lüftest „korrekt“, aber die relative Feuchte an der Wand bleibt hoch.

Ein Beispiel aus einem Altbau in Leipzig: 20 Grad Raumtemperatur, 65 Prozent Luftfeuchte am Morgen, draußen 9 Grad mit Nebel. Fünf Minuten Kippstellung schaffen kaum Luftwechsel, die Fensterkante bleibt nass. Dieselbe Wohnung, zwei Fenster gegenüber ganz auf für drei Minuten: Die Raumfeuchte fällt auf 52 Prozent, aber die Außenwand bleibt bei 15–16 Grad. Wir kennen alle diesen Moment, in dem man die Fenster schließt und das Gefühl hat, es sei jetzt „frisch“. Frisch ist aber nicht automatisch trocken. Die Feuchte kommt zurück, wenn sie in Textilien und Putz sitzt.

Was dahinter steckt: kalte Oberflächen = hohes Kondensationsrisiko. Luft in Novembernächten trägt viel Wasser. Wird sie ins Zimmer geholt und rasch erwärmt, sinkt ihre relative Feuchte zwar, doch die Wandoberfläche läuft dem Temperaturanstieg hinterher. Dort kann die Luft lokal über 80 Prozent erreichen – die Schwelle, ab der Schimmel Spaß hat. Dazu kommt: Ohne Querlüftung dauert der vollständige Luftaustausch je nach Raum und Wind nicht fünf, sondern zehn bis fünfzehn Minuten. Die Uhr ist also die falsche Referenz. Der Taupunkt entscheidet, nicht der Timer.

So lüftest du im Spätherbst wirklich schimmelsicher

Stell einen Hygrometer ins Zimmer, nicht auf die Fensterbank, sondern an eine Innenwand in Außenwandnähe. Lüfte erst, wenn die Anzeige 55–60 Prozent übersteigt, und lüfte dann gezielt: Türen zu den feuchten Räumen schließen, gegenüberliegende Fenster ganz öffnen, drei bis fünf Minuten Querdurchzug. Heizung währenddessen herunterdrehen, danach wieder auf das vorherige Niveau stellen. Messen schlägt Raten: Lüfte nach Hygrometer, nicht nach Uhr. Wer morgens beschlagene Scheiben hat, sollte direkt nach dem Aufstehen querlüften – und den Schlafraum auf 17–19 Grad halten, statt nachts „ganz auszumachen“.

Typische Fehler? Kippstellung stundenlang, Wäsche im Wohnzimmer trocknen, nach dem Duschen die Badezimmertür offen lassen. Seien wir ehrlich: Niemand stoppt im Alltag jeden Lüftungsvorgang mit der Stoppuhr. Fang klein an: drei schnelle Querlüftungen am Tag, plus nach Feuchte-Spitzen – Duschen, Kochen, Wischen. Möbel 5–7 Zentimeter von Außenwänden abrücken, damit Wärme und Luft zirkulieren. Und: nicht während dicken Nebels lüften, sondern in Regenpausen oder wenn die Luft draußen merklich kühler-trockener ist.

Die Bauphysik ist nicht dein Gegner, sie ist dein Werkzeug.

„Schimmel entsteht selten aus Nachlässigkeit, fast immer aus einem Missverhältnis von Feuchte, Temperatur und Zeit.“ – Bauphysikerin M. Keller

  • Schnell-Check: Wenn die Außentemperatur unter der Innentemperatur liegt und kein Nebel hängt, bringt Stoß- oder Querlüften den größten Effekt.
  • Nach dem Duschen: 2–3 Minuten Vollöffnung, Tür zu, Lüfter nachlaufen lassen, feuchte Fliesen abziehen.
  • Abends: Vor dem Zubettgehen kurz querlüften, dann Türen zu kühlen Räumen schließen.
  • Fenster morgens nass? Mit einem Tuch abziehen, sonst wandert das Wasser in die Laibung.

Die Logik hinter dem Alltag: Feuchte raus, Oberflächen warm halten

Denke in zwei Achsen: Feuchteabtransport und Oberflächentemperatur. Lüften senkt die Feuchte, Heizen hebt die Oberflächentemperatur. Beides zusammen verhindert, dass der Taupunkt an Wand, Fensterlaibung oder hinter dem Schrank erreicht wird. Schimmel wächst nicht wegen „zu wenig Putzen“, sondern wegen feuchter, kalter Oberflächen. Wer konstant auf 19–21 Grad temperiert, verhindert das Auskühlen der Hülle. Weniger Temperatur-Schwankung, weniger Kondenswasser, weniger Stress.

Eine Faustzahl hilft zur Einordnung: In einem Vier-Personen-Haushalt entstehen täglich 8–12 Liter Wasserdampf – Kochen, Duschen, Atmen, Pflanzen, Wäsche. Diese Menge muss raus, sonst „parkt“ sie in Teppichen, Matratzen, Fugen. Praktische Routine: morgens, nachmittags, abends je 3–5 Minuten Querlüften, plus nach Feuchte-Spitzen. Kipplüften taugt nur als Notlösung, denn es kühlt Laibungen aus und trocknet den Raum kaum. Ein Blick auf den Hygrometer holt dich aus dem Bauchgefühl.

*Manchmal ist frische Luft lautlos – du merkst sie erst am trockneren Fenstertuch.* Wenn du Zahlen magst: 8 Grad Außentemperatur bei 90 Prozent relativer Feuchte enthalten rund 7 g Wasser pro Kubikmeter. Erwärmt auf 20 Grad entspricht das etwa 40–45 Prozent relativer Feuchte im Raum – gut. Problematisch wird’s an 14‑Grad‑Wänden, wo dieselbe Wassermenge lokal über 70 Prozent bedeuten kann. Das erklärt, warum „frisch“ nicht automatisch „schimmelsicher“ ist.

Was bleibt: Ein November, der dich lesen lernt – Raum für Raum

Vielleicht ist die größte Veränderung gar nicht das Fenster, sondern der Blick. Du beginnst, deine Wohnung zu lesen: Nebel draußen? Dann später lüften. Schlafzimmer morgens streng quer, Bad sofort nach dem Duschen. Der Schrank rückt ein Stück von der Außenwand, das Hygrometer wandert dorthin, wo es kritisch werden könnte. Du spürst, wie Wärme und Luft in Balance kommen, ohne dass du den Tag um die Lüftung baust. Manchmal reicht ein kleiner Ritus, um den November zu entschärfen. Und du merkst: Es ist kein Kampf gegen Schimmel, sondern ein Gespräch mit deinem Raum.

Kernpunkte Detail Mehrwert für den Leser
Uhr raus, Hygrometer rein Stoß-/Querlüften, wenn >55–60 % r. F.; nach Peak-Feuchte Planbares Lüften statt Rätselraten
Oberflächen warm halten 19–21 °C, Möbelabstand 5–7 cm, Kipplüften vermeiden Weniger Kondensat, weniger Schimmelrisiko
November lesen lernen Nebel meiden, Regenpausen nutzen, Türen zu feuchten Räumen Alltagstaugliche Routinen mit spürbarem Effekt

FAQ :

  • Wie oft sollte ich im November lüften?Richte dich nach dem Hygrometer: drei kurze Querlüftungen am Tag plus nach Duschen/Kochen. Fünf Minuten sind nur mit Durchzug sinnvoll.
  • Warum habe ich Schimmel trotz regelmäßigem Lüften?Wahrscheinlich sind Oberflächen zu kalt oder die Luft wird nicht vollständig ausgetauscht. Prüfe Möbelabstand, Querlüftung und konstante Raumtemperatur.
  • Ist Kipplüften wirklich so schlimm?Es kühlt Fensterlaibungen aus und liefert wenig Luftwechsel. Besser: Fenster ganz auf, kurz und kräftig, Türen zu.
  • Hilft ein elektrischer Entfeuchter?Als Übergang ja, besonders in schlecht belüfteten Räumen. Er ersetzt nicht das Beheben von Feuchtequellen und kalten Oberflächen.
  • Was tun, wenn morgens die Fenster nass sind?Wasser abziehen, direkt querlüften, Schlafzimmertemperatur auf 17–19 °C anheben und Bett nicht an die Außenwand pressen.

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